„Im Nahmen Gottes. Amen.“
Die ersten erhaltenen Statuten gelten bis ins 21. Jahrhundert: Allens „Den Armen tom Besten“

Die Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft zu Stade besitzt ein 1764 angelegtes Buch, das die Gründungsgeschichte, die ersten Statuten und die Liste der Schaffer, die das jährliche Stiftungsfest auszurichten hatten, von 1556 bis 1846 chronik_nahmen_gottesenthält. Auf der ersten Seite des Buches heißt es in niederdeutscher Sprache (siehe Kasten).
Ins Hochdeutsche übersetzt lautet dieser Eingang: „Es sei jedem kund und zu wissen, gleich welchen Standes er sei, geistlichen oder weltlichen, der dieses Buch zu sehen, zu lesen oder zu hören bekommt, dass im Jahr 1556 die Kaufleute von Stade etliche Schiffe befrachtet und sie mit Geschützen, Blei und Pulver ausgerüstet haben, gegen die von Hamburg.

 

chronik_gruppenbildAls sie auf diese Weise wieder nach Hause gekommen sind, haben sie Blei und Pulver im Werte von 12 Mark und 8 Schillingen behalten. Dieser Betrag ist den Armen zum Besten angelegt und bestätigt worden. Dadurch ist die Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft gestiftet und gegründet worden, den Armen zum Besten bestimmt, mit solchen Artikeln wie folgt.“

 

Hamburg und Stade waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Rivalen auf der Elbe. War Stade im 12. Jahrhundert der bedeutendere Handelsort an der Unterelbe, wurde es später von Hamburg überflügelt, das sich auf ein von Kaiser Barbarossa angeblich erteiltes Privileg vom 7. Mai 1189 stützte, das erst im 20. Jahrhundert als Fälschung erkannt wurde. Das hindert die Hamburger allerdings nicht, alljährlich den 7. Mai als Hafengeburtstag zu feiern. Im 16. Jahrhundert nahm Hamburg die Elbe allein für sich in Anspruch und blockierte sie mit Waffengewalt für Stader Schiffe.
1556 stellen Stader Kornschiffer, die Getreide nach Holland bringen wollten, einen kleinen Konvoi befrachteter Schiffe zusammen und bewaffnen sie, um sich gegen die auf der Elbe patrouillierenden Hamburger Auslieger wehren zu können.
Es gelingt ihnen, die Blockade zu brechen und auch heil wieder zurückzukommen. Was von Pulver und Blei übrig geblieben war, machen sie zu Geld, legen den Erlös „den Armen tom Besten“ an und begründen so die Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft.

Seitdem hilft die Brüderschaft uneigennützig überall dort, wo Menschen in Not sind. Die Schwerpunkte ihrer karitativen Tätigkeit wechselten mit den aktuellen Notlagen. Konzentrierte sich die Unterstützung zunächst auf verarmte Seeleute und ihre Angehörigen, wandte sich mit dem Niedergang Stades als Seehandelsort das soziale Engagement anderen Bereichen zu.
Heute gehört nicht nur das Eintreten für die Schwächeren in der Gesellschaft dazu; auch die Förderung und Pflege von Kulturwerten, die Denkmalspflege sowie die Jugendbildung und -erziehung sind Zweck der Brüderschaft. Im Jubiläumsjahr konzentriert sie ihre Hilfen auf Kinder und Jugendliche unter dem Motto „Der Jugend eine Chance“.

 

Schüffel und Krönke

Die Kaufleute- und Schifferbrüderschaft fragt, „Wer kennt den Ursprung der Gerätschaften?“

Beim feierlichen Amtswechsel des festgebenden Bruders werden neben dem chronik_schueffelgrünen Buchsbaumkranz auch zwei Gerätschaften übergeben, deren Ursprung noch immer nicht eindeutig geklärt werden konnte: Schüffel und Krönke. Da sie ebenso wie der Kranz auch in der älteren spätestens 1414 gegründeten St. Pankratii Brüderschaft als Symbole der Amtsübergabe verwendet werden, sind sie von den Kaufleute- und Schiffer-Brüdern nicht erfunden, sondern von dort übernommen worden.
Auch die St. Pankratii Brüder wohnten in Hafennähe auf dem Spiegelberg, hatten also mit der Seefahrt zu tun. Nahe liegt es, die Schüffel von der Kornschaufel abzuleiten, die für Kornschiffer ein wichtiges Gerät war. Allerdings war eine Kornschaufel wesentlich breiter und länger, weshalb auch die Meinung vertreten wird, Vorbild sei die schmale Schaufel, mit der die Bäcker das Brot aus dem Backofen holen.

Noch rätselhafter ist die Krönke, eine zweizinkige Forke mit einem zurückweisenden dritten Zinken. Ein ähnliches Gerät könnte für die Schiffer in Ufernähe zum Manövrieren (Abstoßen und Heranholen) benutzt worden sein. Kronike wurde aber niederdeutsch auch ein Turnierspieß genannt, dem man mit einem kronenförmigen Aufsatz die Schärfe genommen hatte.

Nach dem Vorbild der ritterlichen Wettkämpfe gab es Turniere auch bei den Fischern und Schiffern, so zum Beispiel das beliebte Stakenstechen.

Wer eine neue Idee hat oder eine ähnliche Forke woanders schon einmal gesehen hat, vielleicht in einem Museum, wird freundlich um einen Hinweis gebeten.

 

Kaufleute- und Schiffer-Brüder als Revolutionäre

Gegen „Vetternwirtschaft und schludrige Amtsführung der städtischen Finanzen“

Im September 1604 geht beim Reichskammergericht in Speyer die Klage eines Bündnisses der „Älterleute, vornehmen Ämter und Gesellschaften“ aus Stade chronik_statutein, das sich aus 197 Bürgern gebildet hat und für sich in Anspruch nimmt, für die Bürgerschaft der Stadt zu sprechen. Die Eingabe ist nach Berufsgruppen geordnet.
Auf einem besonderen Blatt unterschreiben noch 26 Personen ohne Berufsangabe. Zwölf davon sind aus dem Urkundenbuch der Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft als deren Mitglieder zu identifizieren. Da aus dieser Zeit keine vollständigen Brüderlisten vorhanden sind, ist anzunehmen, dass die anderen 14 Unterzeichner auch Kaufleute- und Schiffer-Brüder sind.

Drei verschwägerte Bürgermeister und die Vetternwirtschaft

Die Handlungen des Rates, gegen die sich die Klage wendet, sind bis in unsere Tage typisch für Herrschaftssysteme ohne ausreichende Kontrolle: Vetternwirtschaft, parteiische Ausübung der Gerichtsbarkeit, schludrige Führung der städtischen Finanzen.
Die Vetternwirtschaft liegt offen zu Tage; drei miteinander verschwägerte Bürgermeister hatten seit 1591 das Ratsregiment praktisch unter sich aufgeteilt: Statius Stemshorn, Daniel Bußmann, Johann up de Wort.

Tischkartenauswahl von Stiftungsfesten der letzten 32 Jahre

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Brüderregister der Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft von 1556 bis heute

Für die ersten 2 ½ Jahrhunderte sind nur die Namen der Rechnungsführer und derjenigen Brüder zu ermitteln, die durch Zahlung einer Abfindung die Last der Rechnungsführung abkauften. Damit sind in diesem Zeitraum die meisten Brüder erfasst, denn die Rechnungsführung musste in der Reihenfolge des Eintritts übernommen werden. Nur wer zuvor starb oder austrat, konnte in den Brüderschaftsunterlagen unerwähnt bleiben, es sei denn, seine Mitgliedschaft wurde auf andere Weise bekannt. Der genaue Termin des Eintritts konnte erst nach 1800 festgestellt werden. Die Nummerierung der Namen soll die Orientierung erleichtern, lässt in der Zeit vor 1800 aber nur ungenau die Reihenfolge des Eintritts erkennen.
Bis 1999 wurden die eintretenden Brüder in die aus den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts stammenden die Gründung der Brüderschaft darstellenden Urkundensammlung eingetragen. Auf Initiative des Präsidierenden Ältermanns Werner Krause wurde 1997 ein neues Mitgliederverzeichnis vom Ältermann Hugo Umlandt angelegt. Leider verstarb dieser 2006, hatte aber vorher mit großer Sorgfalt die Eintragungen vorgenommen. Die Fortsetzung dieser Eintragungen ist Aufgabe der Brüder, die von der Brüderschaftsversammlung zu Archivaren bestellt worden sind. Die zurückliegenden Daten hat Bruder Hugo Umlandt aus der Brüderliste übernommen, die der Stadtarchivar Dr. Wirtgen 1956 für die vom Bruder Richarz verfasste Brüderschaftsgeschichte erstellt hat.

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